Hafen und Meer

I
Du verdrängst
Dich, uns, alles
Du verdrängst,
wie die unbändige Flut
Reißt alles nieder mit dir
Du verdrängst wie der tosende Ozean
Doch ich blitze wie tausend Regenbogen
Gleich einem Schwarm junger Bonito
auf der ersten Reise des Lebens
Ich weiß nichts vom Sterben
Selbst wenn unsere Angst groß ist wie
das Revolvergebiss des grauen Riffhais
Zerreiß mir mein Schuppenkleid,
zerfledder meine Flossen
und nimm mir meine Brüder
Die Liebe in deinen Augen
bricht dennoch bis in meine Tiefsee
In Perlmutt schimmert der Schwarm
Und verdrängt alles

II
Du verschleierst,
Dich, uns, Zweifel
Du verschleierst,
wie ein Hauch von blauem Zigarettenrauch
Du bist geschickt in deiner Zierde
Doch meine Augen blitzen durch diesen Nebel wie mein Damaszener Schwert
Schenk mir weiter diese Häme
Inmitten deiner Regenbogenhaut
ist dieser eine Funke
Von dem mein Herz Feuer gefangen hat gleich dem trockenen Holz meines mondrunden Schildes
Dieses Glimmen bleibt in mir
Mein schillerndes Amulett aus Diamant
Trage es mit dem größten Stolz in meiner Brust
Und verschleiert alles

III
Du überdeckst,
Dich, uns, Zukunft
Du überdeckst,
Wie die schwarze Ölpest
Egal ob tausend Körper dich geküsst haben
Ich bin ein kühner Seemann
Auf meiner wilden Nusschale
Und entzünde mit meinem Herzensglimmen
diesen düsteren Ölteppich
Auf dass alles brennt
Die Flammen mit uns aufsteigen
Du solltest mehr sein als nur glücklich
Ich will deine Vollendung
Auf dass wir alles überdecken

Im Geheimen

Ich kann nicht verbergen, die cobaltblaue Sehnsucht meiner Seele
Die hungernde Rastlosigkeit auf der Suche nach Unendlichkeit.

Ich kann nicht verbergen, den rubinroten Willen in meinen Adern.
Die ungeheuere Stärke die alle Widrigkeiten überstehen lässt.

Ich kann nicht verbergen, die smaragdgrüne Hoffnung meines Geistes
Die nichtendende Zuversicht und Glaube an das Licht dieser Welt.

Ich kann verbergen, die wolf-schwarze Leere meiner Seele,
die geheimen Zweifel aus den Wurzeln meines Seins.

Ich kann verbergen, die silber-glänzende Liebe meines Herzens,
Die letzte Zartheit die ich trage als schleierhafte Zierde.

Lass dich nicht blenden von Sonne und Mond.
Lass dich nicht täuschen von Nacht und Nebel.

Im Geheimen bin ich.

Jagdgründe

Mit allem Anstand und Respekt
Mit jeder Vorsicht und Zustimmung
Lass uns gehen an diesen wahren Ort
An dem deine graue Maske abfällt
Mein goldener Maulkorb zerspringt
Lass Hüllen fallen und Grenzen sprengen
Zeigen wer wir wirklich sind
Bin ich ein herrenloser Wolf
im schwarzen Glanz
Und du die kostbarste Beute
Hetzjagd nach dir Schussmutige
Falle über dich her wie
die ozeanblauen Schatten der zinnoberroten Morgensonne
über gottlose Strassenschluchten
Ein ungeheurer Biss in deinen lodernden Lippen
Ohne Halt zu deinem hauchzarten Nacken
Stille meinen maßlosen Durst an dir
Grabe mich ein in deine gütige Brust
Bis mein ausuferndes Gieren vergangen ist
Erliege ich in deinem fruchtbaren Schoss
Nichts bleibt mehr von unserer Begierde
Als Hüter unserer treulosen Spuren
Rufe ich weiter schamlos
Nach dir in die Unendlichkeit

Meteorit

Am Ende mancher Tage
wenn mein schwarzer Bart trocken wird
Weisse silbrige Schuppen aus ihm brechen
Müdigkeit mich erfasst und ich dort liege
Wie ein rostiges Bajonett
Inmitten dumpfer Kriegstrümmer einer
längst erstickten Kampfesglut
Mischt sich mein Blut mit dem Abendrot
Um aufzugehen in der blauen Nacht
Und meine Tränen sind ganz nah
den Gestirnen am Himmelsende
Erscheine dir weit weg wie mattschwarze Galaxien
In dieser Ferne erahnst du nur
Die wahre Liebe die ich hege
Wie der Schweif des herabbrennenden Meteoriten
Ich werde nicht verglühen
Wenn wir aufeinanderprallen
Wirst du spüren
Welche 
Vollendung
Du bist

Wanderer

Meine Liebe,
willst du mein Betteln und Flehen?
Versteh mich, kann mir diese
Sehnsucht nicht eingestehen
Ich bin kein Mann aus dem Bilderbuch
Mit all meinem Wahn, Dröhnen und Trällern
Ich kann nicht aufgeben
Schreite rastlos durch diese blasse Welt
Selbst wenn meine Rüstung abblättert
Bleiben Muskeln, Knochen und Wille
Ich werde alles überstehen
Überzogen von Rissen und Flechten
Erzähle ich Geschichten
wie diese leblose Eiche
Nur für dich bestimmt
Verweile bei mir
So wie ich für dich andauere
Harre aus im Schatten
Bis Zweige spriessen

Wildnis

Aus der Ferne starren wir uns an
Bestaunen wir einander
Mein Anblick düster und fremd
Wie der Bergwald in der Dämmerung
Bin ich verhüllt im dicksten Nebel
Wildnis strömt aus jeder meiner Poren
Narben tiefe Kerben sind Spuren
in den schneeverwehten Forst
Doch du bleibst fern vor Angst
Warum, meine Liebe? Warum?
Nur weil ein kümmerlicher Dorn dich trifft;
der Ruf aus dem Dickicht dich aufschreckt
Schaust du aus der Ferne deiner Hütte;
betäubt in der falschen Traulichkeit
Meine Liebe, es raubt dir deine Sinne
Verborgen im tiefen Blätterrauschen
Versteckt in den Rufen wilder Raubtiere
Fallen Sonnenstrahlen durch die Baumkronen
Lichtspiele in denen Nachtigallen tanzen
Schimmert der Bergbach geziert vom samten Moos
An dem die schwarze Fähe ihren Wurf innig bettet
Inmitten verwitterter erhabener Bergahorne
Schlägt der Edelhirsch Himmelsspuren
Unberührte Waldanemonen und Lichtnelken enthüllen sich
Hier, liegt mein Begehren
roh und ungeboren
Meine Liebe, bleib bei mir,
verwandeln wir uns
wie der Frühling diesen Wald

José David da Torre Suárez

 

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Auf der anderen Seite

Wir saßen am Fluss, in dem sich die Lichter der Stadt spiegelten wie ein Gemälde Van Goghs. Auf der anderen Seite küssten Lichter das Wasser, während wir hier saßen in der kalten Nacht. Deine Worte öffneten, sanft und leise, den lichtlosen Abgrund in dir. Mit jedem Wort und jeder aufkommenden Träne breitete sich diese pechschwarze Lache über allem aus und ich wünschte, mein Schwert hätte gereicht. Ich konnte sehen wie das, was nicht werden sollte, verdrängt wurde von einer schwarzen Gestalt, dessen Brüder zu lange in mir gehaust hatten. Mein Körper war angespannt, Blut schoss mir durch die Adern und ich ließ geschehen. Mit aller Kraft hörte ich einfach nur zu, denn es gab keine Worte. Wollte, dass der Dämon von dir ablässt, ich triefend bin vom Petroleum, bereit aufzugehen wenn es dir hilft. Bis mir klar wurde, dass ich in meinen Händen kein Schwert hielt, sondern die Schippe und lange genug den Graben ausgenommen hatte, in dem es jetzt liegt. Weiterlesen…

Regenbogenschwarz (Dritte Nacht)

Es war 8 Uhr abends in Salims Bar. Emiia war bereits seit drei Stunden da und hatte die Universität erfolgreich hinter sich gebracht. Spätestens als sie hier gewesen war und sich umgezogen hatte, die schwarze Schürze umgelegt hatte, war die Maske wieder aufgesetzt. In ihrer Sturheit hatte sie geglaubt sie könnte es machen wie mit ihrer Vergangenheit, alle sentimentalen Gefühle ersticken konnte. Förmlich, so hatte sie es sich ausgemalt, wie in eine Kiste hatte sie alles hineingelegt und unter der Erde begraben. Und sie glaubte es würde ihr gelingen, so wie sie schon die Schmerzen der Kindheit verscharrt hatte. Wie viel Überwindung es sie gekostet hatte und wie sie sich selbst Mut zusprach; denn tief in ihr war es so gewesen, als hätte sie ihren Schosshund zum Sterben an einem verschollenen Autobahnrastplatz ausgesetzt. Zwischen den Bestellungen von Weizenbieren, Branntwein und Roséweine wollte sie verdrängen; wenig Zeit finden um die Maske abzusetzen. Mittwoch Abende wie dieser waren eher mäßig. Es war nicht viel los und die Gäste waren erträglich. So ruhig, dass Salim den Tag oft nutze um im Hinterzimmer den letzten Monat nachzurechnen, Bestellungen aufzugeben und manchmal um einfach gar nichts zu tun. Er ließ Emilia an diesen Tagen freie Hand. Weiterlesen…