Nichts sein und nichts lieben

Die letzten Tage, in denen mein Leben langsam droht, ein Alltag zu werden, habe ich viel über meine persönliche Zukunft nachgedacht. Nicht, dass ich sonst nicht introspektiv bin, aber derlei Selbstzweifel sind von seltener Natur.

Dabei stelle ich mir immer wieder die Frage, ob es gewisse Werte gibt, die für ein erfülltes Leben notwendig sind. Ich meine damit nicht bloß Dinge, die wohltuend sein können, sondern spreche von einer Art Quintessenz. Ich verwehre mich solchen Dogmen und halte es gerne wie Picasso:

„Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen.“

Erst vor einer Woche war ich während eines Kurzurlaubs in Spanien und hatte die Möglichkeit, Zeit mit meinem jüngsten Neffen (2 Jahre, bald 3) zu verbringen. Dabei ist mir wieder klar geworden, welcher Segen Kinder sein können. Egal wie nervtötend ihr Weinen auf Dauer ist, ihr Lachen überschattet alles negative. Die ersten Schritte, die ersten Worte, der Lernprozess des Sprechens, all das sind wunderbare Momente, wie man sie sonst nicht erlebt.

Ob ich jemals ein Vater sein werde, überhaupt ein guter? Ich höre immer wieder, dass ich kinderlieb bin und eine gute Vaterfigur abgeben würde. Die Chancen, die ich in der Liebe hatte, habe ich alle nur halbherzig genutzt. Ich werde mehr und mehr kalt in dieser Hinsicht, würdige selbst schönen Frauen keinen Blick mehr. Sind es die schlechten Erfahrungen? Weniger das, auch nicht, dass ich in meiner Familie kaum Zuneigung gespürt habe. Es sind viel mehr die Erwartungen, die ich an die Liebe gestellt habe. Gedichte und Lieder waren es, die mir ein Bild vermittelt haben, was nicht mit der Realität übereinstimmen kann. Eine Vereinigung zweier Seelen, körperlich und geistig, die die Grenzen des Bewusstseins übersteigt und zu meinem Seelenheil mündet. Das ist schwer zu finden, überhaupt schwer zu fühlen, wenn man nicht bei der Sache ist.

Ich kann nicht ergründen, warum mir die Einsamkeit so attraktiv erscheint. Diese Zeilen sollen auch keine Kapitulation sein, ich stelle nicht meine Existenz in Frage. Jedoch gibt es zarte Momente, in denen mein Herz etwas warmes von sich gibt, wie sonst nie. Leider kann ich mich nicht erwärmen, diese Augenblicke zu übersteigen.

>Alles was mir bleibt, in diesen Zustand zu schwelgen, sind meine Gedanken, die ich in meinem Tagebuch verewige, in Versen und Geschichten niederbringe. Aber meine rege Brieffreundschaft mit der Liebe nimmt langsam ein Ende. Noch summe ich die Melodie auf meinen Lippen, doch werde immer leiser, bis ich vielleicht eines Tages verstumme.

Wenn die Menschen wirklich wüssten, was mein größter Wunschtraum ist. Dieser bricht alle vorstellbaren Grenzen. Ich werde ihn aber mit niemanden teilen, da er im Diesseits keinen Wert hat. Gegen ihn ist sogar die Liebe für einen Kühlschrank wie mich erreichbar.

Dumm und unfähig komme ich mir vor, fast schon hilflos, wenn ich meine Eskapaden mit der Liebe durch den Kopf gehen lassen. Bin ich unentschlossen? Ist es noch zu früh, sich tatsächlich für einen Weg zu entscheiden? Einsamkeit verlangt Standhaftigkeit und Kraft, sonst verkümmert die Seele. Zeigt sich schon der erste Schimmel?

Momente wie diese sind es, in denen ich alle tausend Schleier dieser Welt zerreissen möchte, damit wir alle wirklich sehen können. Dabei sind diese nur Schleier zwischen mir und der Wahrheit, nicht zwischen der Wahrheit und mir.

„Nichts sein und nichts lieben, ist identisch.“, Ludwig Feuerbach. Zitat des Tages bei Wikiquote, wie passend.

7 Gedanken zu “Nichts sein und nichts lieben

  1. guter post net schlecht aber keine angst jeder hat mal ein paar tage, stunden oder gar wochen in denen du down bist und nicht mehr so recht weiter weisst.

    in sachen liebe denk ich mir immer „wir sind 6 Milliarden Menschen auf der Erde da muss es jemanden geben der Perfekt zu mir passt dummerweise ist das finden ziemlich schwer“

    deswegen geb dich nicht auf sondern such weiter den irgendwann wirst auch du die richtige für dich finden.

  2. ach ja und notfalls kannste dich ja an das einzige Wesen wenden das uns ja alle Lieben soll 😉

    Gott

  3. Ich bin kein Mensch der großen Worte. Aber ich denke, gerade du wirst eine großartige Beziehungsperson. Du bist meilenweit reifer als die Meisten, die ich kenne.

    Du machst dir Gedanken über deine Handlungen, und das ist so viel wert.

    Vielleicht solltest du dich nicht mehr wehren, wenn du die richtige Person gefunden hast. Auf jeden Fall bist du sehr wertvoll und ich glaube, dass Gott einen großen Plan mit dir hat.

    Existenzfragen habe ich auch. Meistens verdränge ich sie.

    Dein Freund, Lando.

  4. Es mag sein, dass ich reif wirke, aber meine innere, persönliche Reife wird mich noch etwas Zeit kosten. Ich weiß aber nicht, ob mich das zu einem Menschen macht, der eine Beziehung führen kann, hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle.

    Die Sache mit Gott: Ich glaube bereits an Gott und das schon sehr lange, auch hier ist meine Liebe sehr intensiv. Allerdings ist es eine bedingungslose Liebe, die sich anders äußert und mit einer Beziehung nicht verglichen werden. Es geht mir nicht um das Bedürfnis nach einer Beziehung, das herrscht nur kurzzeitig vor. Vielmehr, ob mein derzeitiger Lebensweg tatsächlich der ist, der mich ans Ziel führt.

    Sich Existenzfragen zu stellen und an sich zu zweifeln halte ich für wichtige Antriebe im Leben, um sich zu vervollkommen. Mir wurde in der Vergangenheit Hochmut vorgeworfen (siehe Informe de prensa), was ich in dieser Hinsicht nicht nachvollziehen kann.

    Ich danke euch für eure aufmunternden Worte, obwohl ich sie nicht gebraucht habe. Down war ich und bin ich nicht, jedoch nachdenklich.

  5. Hallo Fenryl,
    ich halte Deine Reflexionen für sehr legitim und auch beeindruckend. Die Erfahrungen, die ein Mensch im Laufe der Zeit machen kann, sind nur begrenzt benutzbar, denn die erlebte Situation in der gleichen Weise wiederzuerleben ist sehr unwahrscheinlich. Ich bestreite nicht die Existenz und Notwendigkeit des Erfahrungswertes, sage lediglich, dass man sich nicht 100%ig darauf verlassen kann.
    Bezüglich der Liebe möchte ich Dir einen Satz aus „Der Prophet“ von Khalil Gibran mitgeben, den Du bestimmt kennst:“ UND GLAUBE NICHT, DU KANNST DEN LAUF DER LIEBE LENKEN, DENN DIE LIEBE, WENN SIE DICH FÜR WÜRDIG HÄLT, LENKT DEINEN LAUF…“

  6. Eine angemessene Antwort zu schreiben ist mir schon in erster Iteration nach dem Lesen Deines Posts nicht gelungen, daher nur diese Kleinigkeiten:

    Als erstes: Den Dir vorgeworfenen Hochmut solltest Du meiner Meinung nach in Ehren halten, die sich darin widerspiegelnde Selbstliebe halte ich für sehr gesund, solange sie – wie in Deinem Fall – mit genug Reflektion und Selbstkritik gepaart bleibt.

    Über Lebenszeit hinweg (sagt ein etwas älterer) ändert sich Dein Bild von Liebe mit Sicherheit, und über den Verlauf jeder einzelnen Beziehung ebenso wie über den Verlauf all Deiner Beziehungen. Die Liebe als feststehendes Konstrukt ist selbstredend ebenso illusionär (aber oft hilfreich) wie das feste Konstrukt von Ich, von Charakter.

    Ich vermeide das Wort daher fast immer – verstehen ist ohnehin schon sehr unwahrscheinlich, aber wenn zwei Menschen (womöglich noch füreinander) dieses Wort benutzen, dann bin ich ganz sicher, meinen sie nie das selbe.

    Soviel für heute N8,
    W0nk0

  7. […] Eintrag “Nichts sein und nichts lieben” hat ziemliche Reaktionen ausgelöst, die alle in die selbe Kerbe geschlagen […]

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