In letzter Zeit bin ich sehr in meinen Arbeiten vertieft. Beruflich wie auch privat bin ich zugedeckt mit Pflichten. Versteht mich nicht falsch: Ich fühle mich nicht gestresst, sondern bin froh darüber: So kommt nie Langweile auf. Und Langweile ist für viele Menschen das Hauptproblem. Zumindest für die Menschen unseres Kulturkreises. Langweile gekoppelt mit vielen anderen Dingen. Schlagwörter: Vereinsamung, Leistungsgesellschaft, Materialismus, Fehlen von Werten.
”Wenn du die Einsamkeit nicht ertragen kannst, dann langweilst du vielleicht auch andere”, sagte einmal Oscar Wilde. Sehr treffende Worte, wie ich sagen muss. Ich bin strikter Einzelgänger, habe kaum etwas mit anderen zu tun. Zum einen, weil ich mit meinen Interessen kaum Anschluss finde, zum anderen, weil mir auch das schlichtweg das Interesse an anderen fehlt. Wo viele jetzt verzweifeln würden, dass als Problem sehen würde, gehe ich gelassen damit um, bin sogar glücklich mit meiner Situation.
Neulich habe ich etwas Interessantes von Coelho (”Der Alchimist“, „Der Zahir“) gelesen: Es ging dabei um japanische Koi-Karpfen, sicherlich vielen ein Begriff. Diese Fische passen ihr Wachstum der Größe Ihres Habitats an. In einem Aquarium werden sie nicht viel größer als 10 cm, in einem großen Teich dagegen bis zu einem Meter. Ähnlich verhält es sich mit uns: Menschen mit einem geringen Horizont nennt man nicht umsonst Kleingeister. Dabei hat es nichts mit Böswilligkeit zu tun: Viele sind sich dessen gar nicht bewusst. Viele Menschen gehen ein in ihren Problemen, dabei liegt es nicht immer an der Situation, sondern an der Sichtweise und den eigenen Fähigkeiten. Als Philanthrop bekommt man die Möglichkeit, tiefer in andere zu blicken. Dabei ist mir häufig aufgefallen, wie minderwertig sich viele sehen. „Das schaffe ich nicht.“ „Ach, das ist nicht so einfach. Ich kann es nicht so einfach tun.“ Weil man so festgefahren bzw. eingeschränkt in seiner Sichtweise ist, Bequemlichkeit durch innere Blockaden. Warum soll ich etwas ändern, anders an die Sache gehen? Es ist zum Scheitern verurteilt. Stattdessen rede ich mit meiner besten Freundin, löse damit die Lage temporär (durch Verdrängen), bis ich nächste Woche wieder mit Tränen einschlafe. Shit don’t stop till the casket drops: War es mit 17 der schlimme Ex-Freund, sind es mit 21 Probleme mit dem Studium, mit 27 der Beruf. Es wird sich wie ein roter Faden durch das Leben ziehen.
Probleme wird es immer geben, was wäre das Leben denn ohne sie? Man kann das auf und ab nicht vermeiden. Und der, der’s versucht, steckt irgendwann in der Identitätskrise. Ja, aber man versucht es gerne wieder. Flüchtet sich hinter die Dior-Brille, keiner wird die Tränen sehen. Denn mit einem Papi chulo an der Seite lebt es sich einfach. Er bringt die Kohle heim, ich gebe ihm dafür meinen Körper. Liebe braucht die Welt nicht, Geld sichert das Überleben. Ich habe so etwas am eigenen Leib erfahren, deshalb bin ich wohl etwas sensibilisiert. Nur, irgendwann denkt sich der Papi chulo folgendes: Du bist für mich wie die gestrige Tageszeitung. Am Morgen brisante Neuigkeit, gegen Mittag allseits bekannt und am Abend vergessen. Und so werden sie Nomaden der Liebe, grasen die Landschaft ab auf der Suche nach Sicherheit oder auch Geld. Traurige Tatsache: Manche machen das schon seit Generationen und über mehrere Kontinente hinweg.
Und dabei haben wir’s im Westen doch besser als andere. Reich sind wir, an materialistischen Dingen, aber arm an Geist und Seele. Es ist ein Hoffnungsschimmer, wenn Leute nach Gott suchen, doch viele flüchten sich lediglich in Gott. Gerade in schweren Zeiten sind Bibel und Qur’an eine große Hilfe, die dem Leben Tiefgründigkeit verleihen. Sind die Probleme wieder fern, ist es Gott auch. Oder aber, man ist als wiedergeborener Christ dem Fanatismus verfallen. Auch nicht zielführend, Stichwort kleiner Fisch.
Man muss kein Bücherwurm sein. Flucht ist nie eine Lösung. Konfrontation mit den eigenen Schwächen, Ängsten und Zweifeln lautet die Devise.
Guter Beitrag. Kann mich damit voll identifizieren