Turno de noche (Niño soldado)
Sabados. Samstage waren die dunkelsten Tage. Pepito, erinnerst du dich noch an diese Samstage? Wenn in der televisión spanische Abendunterhaltung lief und du dich diesen Bildern hingabst? Als wenn es überdecken konnte was sich im Wohnzimmer abspielte. Du lächelnd von den Darbietungen, während el hombre auf dich niederprasselte. Die Bilder der Flimmerkiste verdrängen sollten, während er dich in die Ecke drängte.
Lo siento.
Wie lange warst du im Glauben es gehöre dazu wie Paella an Sonntagen. Domingos, die zweitschlimmsten Tage. Hast du dich damals auf den gelben Reis und die Meeresfrüchte gestürzt, so sehr hast du es geliebt. Die Verwirrung, weil el hombre die Teller durch die Gegend warf und es dich traf, obwohl du dankbar für das Essen warst.
Lunes hasta viernes. Montag bis Freitag. Wenn la mujer turno de noche, Nachtschicht, hatte. Das waren die schlimmsten Wochen. Dieses Gefühl, ausgeliefert zu sein. Und wie oft war der Wolf da und riss dich, nicht nur dich. Dieser Geruch der dir bis heute nicht aus der Nase geht, cerveza und pitillos.
Lo siento.
Pepe, du warst niño soldado. Mit deinen 4 Jahren, ihm gerade einmal bis zur Hüfte reichend, an der Türschwelle gestanden und dich für immer verabschiedet. 3 Stunden planlose Flucht und doch bereuend, weil du la mujer nicht alleine lassen konntest. Und du ihr das Versprechen gabst, du würdest es eines Tages beenden. 4 Jahre Pepe, warst du mutig.
¡Hostia! Ich wäre gern bei dir gewesen. Hätte mich schützend über dich gebeugt, alles auf mich genommen. Dich gewärmt in diesen eiskalten Momenten. Der große Bruder gewesen in diesen höllischen Nächten. Ich habe dir zu danken, dass du nicht aufgegeben hast. Du ertragen hast was dir passiert ist, kleiner niño soldado Pepe. Heute trage ich die Narben, für die du dich geschämt und gelogen hast mit dem Stolz eines Kriegsordens.
Weißt du noch dieser Dienstag, an dem du nach Hause kamst? Es war wieder turno de noche. Du mit zitternder Hand den Schlüssel in den Türschlitz gesteckt hast. Das Zittern weil dir an diesem tristen Novembertag klar wurde, dass all die Jahre nicht normal gewesen waren. Niemand anderes all das erlebt hatte. Und es kein Samstagabendprogramm oder Paella gab, die dir diese Todesangst nehmen konnten.
Für dich war es die dunkelste Stunde deines Lebens. Es war der Tag an dem du gefallen bist. Erst mit diesem Sturz konnte ich aufstehen. Ich konnte nur werden, weil du, kleiner Pepe, gestorben warst.
Lo siento.
Noch heute kommen mir die Tränen. Und ich weiß nicht ob es das Posttrauma ist oder einfach der Gedanke an den kleinen Pepe, den ich ihn Stich lassen musste.
Cambio de turno (Combatiente joven)
Pepe, der Weg bis hierher, er war voller Entbehrungen und Elend. Als du damals begriffen hast das ist la guerra und du in ihr. Das war wichtig. Als dir klar wurde, dass du an die Waffe gehen musst, weil sie sonst dich und alle untergehen lassen. Es war notwendig. Ich weiß Pepe, wie schwer es dir fiel abzudrücken und dir selbst eine Stimme zu geben, Kriegstelegramme mit der Brieftaube um die Welt. Doch es wäre heute nicht so geworden.
Lo siento Gracias a ti.
Damals, in den dunklen Zeiten, in denen du alleine warst, war nicht dieser große Bruder bei dir. Sondern Elena Soledad, dieses Teufelsweib. Hast ihr dein junges Herz gegeben und warst blind vor allem, was sie dir angetan hat. De la lluvia al alero.
Pepito, wir haben damals oft gestritten. Du wolltest mir nicht glauben, dass du es schaffen würdest. Elena war die damals alles und du wolltest bei ihr bleiben, egal was es bedeutet. Egal ob du Kinder haben würdest oder nicht. Ich war überzeugt davon, dass du weg von ihr musst. Denn in deinen Augen habe ich immer dieses Funkeln gesehen, das jede noch so dunkle Nach überstanden hat. Noch heute wärmt mich dieses Glühen auf.
Gracias a ti.
Pepito, es gab aussichtslose Schlachten. Damals, als du noch warst und durch die Nächte geirrt bist, bin ich dir auf Schritt und Tritt gefolgt. Dein Leuchten hat mir den Weg gewiesen. Und wäre es nur dieses Weib gewesen, hätte ich sie ihn Schach gehalten. Doch jemand wie du ist begehrenswert für die Teufel und Dämonen dieser Unterwelt. Die ersten Schlachten waren verheerend für uns; konnte sie nur in die Flucht schlagen und wir beide mussten viele Verluste in Kauf nehmen. Niemals habe ich die Hoffnung aufgegeben. Ob ich trunken von der Nacht war und den Sternen; no importa.
Gracias a ti.
Pepe, es gab diesen Zeitpunkt, da warst du nicht mehr. Muerto. Es kam unverhofft, es war die Wachablösung. Cambio de turno. Jetzt zählst du auf mich; jetzt muss ich es tun. Es blieb mir keine Möglichkeit eine Träne zu weinen, da wo ich war. Der Krieg war längst nicht geschlagen und nun war es ich gegen sie. Doch, was konnten sie mir noch anhaben? Das Funkeln in meinen Augen, das Gewehr in meiner Hand, die Rose im Gewehrlauf; auf dem Rücken des Stieres, der Wolf an meiner Seite und der Rabe in der Luft. Mit dem Duft der blauen Blume in der Nase und einem Tango auf dem Lippen konnten sie mir nichts anhaben. Manchmal, da statte ich Elenas Grab einen Besuch ab und rupfte das Unkraut. A veces. Apenas. Eigentlich nie.
Gracias a ti.
Ich will nicht lügen. Der große Krieg ist vorbei. Heute sind es guerillas. Heimtückische Gegner sind es geworden. Einige davon habe ich nicht schlagen können. El hombre konnte ich nicht retten, el cancer. La mujer auch nicht, la mente. Pepe, es war so schwer. Irgendwann habe ich meinen Frieden damit gemacht und mich auf deinen Wegen gemacht. Zu den Sternen.
Turno de dia (Mutilado de guerra)
Pepe, irgendwann wusste ich: das alles hat jetzt ein Ende. Die Schlacht ist geschlagen. Auf zu neuen Ufern, denn die blaue Blume findest du nicht zwischen Blindgängern und Gewehrsalben. Es blieb mir nichts anderes, als auf dieser wackligen Nussschale in die raue See zu stechen. Bis auf den Grund des Meeres bin ich gesunken und habe in der Tiefsee mein Glück versucht und mich dort verloren. Wieder aufgetaucht und durch die Eiseskälte von Wölfen gezogen worden; schneeverweht in weissen Nächten, der Tag so fern.
Meine Nussschale ist oft gegen den Felsen geschmettert und gekentert; aber ich habe so etwas wie den Hafen gefunden. Bin an Land gegangen mit stolzer Brust. Und lag in fremden Betten mit fiebrigen Träumen an all die, die ich in Stich gelassen hatte. Irgendwann habe ich die Liebe gefunden. Musste dafür einige Herzen brechen, weil ich einmal mehr geschossen als geküsst habe. Doch dann habe ich sie gefunden. Und mit ihr all die Wahrheit. All die Wahrheit. Davon zeugen viele Briefe.
Ich denke oft an dich, Pepe. Was aus dir geworden wäre, wenn du damals nicht abgedrückt hättest. Denn ich will nicht lügen: ich bin aus dem Krieg gegangen, aber der Krieg nie aus mir. In meinen pesadillas rufen sie mich noch heute. Ich bleibe standhaft, denn ich will dir gerecht werden. Alles andere hättest du nicht verdient.
Ich habe Hunger nach dem Leben, einen unstillbaren Durst danach. Liege wach in der Nacht, nicht nur weil der Schlaf der Bruder des Todes ist, sondern weil ich all das erreichen will, was dir versagt geblieben ist.
Pepe, wenn du mich heute sehen könntest! Samstage sind die besten Tage. Sonntage sind die besten Tage. Montag bis Freitag… ¡Hostia! Es braucht keine Samstagabendunterhaltung. La television bleibt aus. Die Paella mache ich heute selbst und das Geschirr bleibt heil. Pepe, du darfst stolz auf mich sein.
Ich bin das geworden, was du werden solltest. Habe mir den schwarzen Bart wachsen lassen und trage ihn in voller Pracht. Stähle meinen Körper, wie die dunklen Zeiten meine Seele geschmiedet haben. Nur die Glatze ist ausgeblieben. Ojala.
Und will mir jemand aus meiner Vergangenheit einen Strick drehen, lehne ich dankend ab, denn dagegen hast du dich schon entschieden, Pepito.
Lo siento. Gracias a ti.
P.D. Auf eines kannst du stolz sein: Du hast dein Wort gehalten und es beendet. Nicht nur die Gewalt von el hombre, sondern all den Hass. Die Kette zerrissen und Liebe zugelassen, die jeder für undenkbar hielt. 16 Jahre später.